Der Hufschlag des Meeres

Johann P. Tammen liest neue Gedichte und kleine Prosa
am Sonntag, den 12. Mai 2024 um 11.30 Uhr
im Franz Radziwill Haus

Der Dichter erschafft eine Landschaft aus Worten:
Man hört das Rauschen des Meeres
– und Echos aus 200 Jahren Lyrik …

 

Johann P. Tammen „ist keiner, der in den Parlando-Salons des Literaturbetriebs auf sich deutet; […] er hat sich stets leise abgewandt, wenn andere an die Rampe traten“, so resümiert es Gert Heidenreich im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, und gibt dort seiner Freude Ausdruck, dass nunmehr der Göttinger Wallstein Verlag „den Lyriker mit einem Doppelschlag aus der Raritätennische gehoben und in zwei schönen Bänden Tammens Gedichte und seine Nachdichtungen vorgelegt hat. Endlich, möchte man ausrufen und diese […] Dichtungen […] Wort für Wort vorstellen.“

Johann P. Tammen (80) veröffentlicht seit Ende der 1960er Jahre Gedichte, und er hat so – verstreut in zahlreichen, zumeist bibliophilen Sammlungen – ein ausgesprochen umfangreiches und vielgestaltiges Werk vorgelegt. Als Herausgeber der Zeitschrift „die horen“ und einer parallelen Edition mit Sammlungen zur europäischen Poesie ist er Legende. 2019, aus Anlass seines 75. Geburtstags, erschien – komplettiert in zwei Bänden – eine Auswahl aus seinem Gesamtwerk, vom Autor selbst kritisch durchgesehen daraufhin, was „gültig“ ist, was Bestand hat und was für das Ganze steht, das Tammen in seinen Texten poetisch in den Blick nimmt: „Poetische Beutezüge“, „eine Sprach- und Versfeier, die ganz eigen und atemspendend ist“, wie Hugo Dittberner jubelt.
„‘Hast du die Furchen des Meeres kartiert‘, fragt sich der Dichter, […] und tatsächlich lebt seine Poesie von der Intensität des Registrierens, Beobachtens, Ordnens“, konstatiert Gert Heidenreich, „während zugleich mit dem Schauen die Verwandlung in poetische Erinnerung einsetzt.“ Und so erweist sich auch bei Tammen, dass – nach Novalis – allein die Poesie das „ächt absolut Reelle“ ist.

Neben dem Band mit ausgewählten Gedichten aus fünfzig Jahren gibt es einen zweiten Auswahlband mit Nachdichtungen von A (wie Guillaume Apollinaire) bis Z (wie Valentino Zeichen): Eigenschöpferische Wortkunstwerke, die sich respektvoll vor den Originalgedichten bedeutender europäischer Lyriker verneigen und durch die Stimmkraft des Nachdichters eine neue poetische Gestalt annehmen.
Lektoratsreif liegt aktuell – konzipiert vom Autor auch sehr bewusst mit einem launigen Seitenblick auf das erreichte Alter, das Anlass gibt Bilanz zu ziehen – das opulente Manuskript eines Auswahlbands mit neuer Lyrik und kurzer Prosa vor, gebündelt unter dem Titel „Mandrankel oder Der Hufschlag des Meeres“, den der Autor jetzt erstmals im – ihm herznahen – Malerturm Franz Radziwills in unserer Dangaster Premierenlesung vorstellen wird.
Die Erntefracht dieser Sammlung, wahrlich ein rohes Bündel umdunkelter Papiere, eine Art Obhutsersehnen, wie Tammen betont, häuft einen Schreibfleiß an, der in den Schichtungen der erfahrbaren Welt und ihren ahnbaren Gefährdungen nach Auswegen für Suchende, Hoffende forscht – und das selbst dort, wo auch sie nur wie „blinde Blindenführer“ am Stock gehen, stets nah am Abgrund, wo sie sich zagend die Augen reiben.

Der Hufschlag des Meeres, wie Tammen ihn hörbar werden lässt, ist so auch zu lesen wie das lyrische Protokoll zum Drangsalsalltag der Welt, wie sie war und wie sie werden könnte (zum Beispiel zur Zeit der legendären Zweiten Marcellusflut, der Groten Mandränke, 1362): wahrlich eine Katastrophensingularität, tief eingegraben ins Gedächtnis der Menschen.
Für den Autor, den gedankenwund in hellster Aufregung und dunklen Träumen nach „festem Land“ Ausschau haltenden Dichter, Johann am Meer, wie Christoph Meckel ihn herbeirief in einem Envoi, sind „der Zustand der Welt und die politische Zeit – so scheint es – zur beständigen Schrecksekunde geworden.“

Johann P. Tammen, geb. 1944 in Hohenkirchen / Friesland, lebt als freier Schriftsteller (Lyriker, Prosaist, Kritiker und Herausgeber) bei Bremerhaven, nah der raumen See. Er studierte Germanistik, Geschichte und Sozialwissenschaften an der Carl-von-Ossietzky- Universität in Oldenburg. 1969-2011 Redakteur / Herausgeber der Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, „die horen“ und der Buchreihe „edition die horen“ mit Sammlungen zur europäischen Poesie. Alfred-Kerr-Preis 1980 und 1988 sowie zahlreiche weitere Preise, Auszeichnungen und Stipendien. – Mitglied des P.E.N.

Teilnahme: 12 Euro inkl. Ausstellungsbesuch |
Schüler/Studenten 9 Euro

Die Veranstaltung findet im oberen Atelier des Künstlerhauses statt. Wegen des begrenzten Platzangebotes bitten wir um Voranmeldung unter info@radziwill.de oder unter 04451/2777 zu den Öffnungszeiten des Künstlerhauses.


Johann P. Tammen:
STOCK UND LATERNE.
Ausgewählte Gedichte 1969-2019.
/ WIND UND WINDPORZELLAN.
Nachdichtungen. Von Guillaume Apollinaire bis Valentino Zeichen.
2 Bände.
WALLSTEIN VERLAG GÖTTINGEN.

Stimmen zu Autor und Werk:

 Der Dichter, Johann am Meer, an der friesischen Küste zuhaus, gleicherart ruhig und ruhelos, fest geerdet und heftig fliegend, schreibend in der sachlichen Würde der Langsamkeit … seine Sätze sind ineinander verschmolzen, widerständig, poetische Legierungen …

Christoph Meckel

Tammens Gedichte überraschen durch originelle Bilder und Metaphern, sie sind hellsichtig, hellhörig, bei scharfem Verstand und Aufmerksamkeit fürs Detail, menschenfreundich und naturnah, manchmal feierlich, aber ohne große Gesten …

Jürgen Brôcan

Erdig, nach Meer, Salz, Fischgeruch und Tabak duften und schmecken die Gedichte von Johann P. Tammen. Doch meinen Pathos und Erdverbundenheit nicht leere Pathetik und Enge des Blicks. Mit lockerer Hand weiß der Schreibende immer wieder auch kleine artistische Funkenflüge zu inszenieren, rhythmisch pointierte Traumsplitter, zarte flüchtige Szenen mit doppeltem Boden …

Ernest Wichner

Was Tammens eigene Gedichte mit seinen Nachdichtungen verbindet, ist das Wörterglück, die beglückende Freude an der Kunst-Arbeit mit der Sprache – eine Kunstsprache, die ihresgleichen in der deutschen Lyrik nicht hat …

Wulf Segebrecht