Bild des Monats Oktober

Franz Radziwill

„Bildnis des Schauspielers Alain“, 1969

Das „Bildnis des Schauspielers Alain“ ist genauso unscheinbar wie unerwartet. Mit über 70 Jahren hatte Franz Radziwill die großen Themen seiner Malerei längst gefunden: Für Landschaften und Stillleben war er bekannt – sein letztes Porträt hatte er dagegen schon vor 25 Jahren beendet, die meisten Bildnisse zu Beginn seiner Künstlerkarriere gemalt. Und trotzdem: 1969 erhielt Radziwill einen Porträtauftrag. Er kam aus Italien. Dort begann der junge Galerist Emilio Bertonati (1934–1981), Radziwills Werk immer bekannter zu machen. Unter Bertonatis Kunden fand sich der namhafte Mailänder Schriftsteller, Kunstkritiker und Dramatiker Giovanni Testori (1923–1993). Testori gab mehrfach Porträts von ein und derselben Person in Auftrag, alles Bildnisse von Alain Toubas (1938–2021). Der Franzose war nach seinem Militärdienst nach Italien gezogen und wurde dort Schauspieler und zu Testoris Gefährten. Ihn sollte Radziwill malen.


Zur gleichen Zeit wie Radziwill erhielt auch der neusachliche deutsche Maler Christian Schad (1894–1982) einen „Alain-Auftrag“. In Schads Bildnis sehen wir Toubas als Schauspieler: nur mit einer Jeanshose bekleidet steht er als zeitgenössischer David stolz vor dem Kopf des getöteten Goliaths, hinter ihm wirbt ein riesiges Plakat mit seinem Gesicht und Namen. Radziwill entscheidet sich dagegen für ein vergleichsweise unaufgeregtes, klassisches Porträt. Bei ihm sitzt Alain mit Schlips und Kragen in einem Innenraum, Bücher liegen auf dem Fenstersims, draußen scheint der Mond über die Häuser. Dass beim Gesicht die Blickwinkel auf Mund und Nase nicht so recht zueinander zu passen scheinen, mag daran liegen, dass Radziwill mehrere Fotos als Vorlage nutzte, denn Alain konnte ihm nicht Modell sitzen. Das Gemälde entstand in Dangast, und ergänzt heute dort die Ausstellung „Familie. Freunde. Fremde.“

In seiner Führung durch die Schau am Sonntag, den 02. Oktober 2022, um 11:30 Uhr wird Charles Martinß ein besonderes Augenmerk auf dieses Werk richten.
Anmeldungen telefonisch unter 04451/2777 oder per Mail an info@radziwill.de.